Die Geschichte der Coachin und Veränderungsmanagerin Bernadett Tresó, die seit 2017 in der Schweiz lebt, beweist: Unsere Gene bestimmen nicht unser Schicksal. Die Epigenetik – also wie wir leben – kann eine ungünstige genetische Veranlagung außer Kraft setzen. Wir können uns selbst heilen, wenn wir ehrlich auf unser Leben blicken und unsere Lebensweise radikal ändern.
Mit welcher Krankheit hattest du zu kämpfen und welche Methoden haben dir geholfen, sie zu überwinden?
2017 wurde bei mir Morbus Crohn diagnostiziert – eine chronisch-entzündliche, autoimmunbedingte Erkrankung, die den gesamten Verdauungstrakt betreffen kann. Auch wenn die Symptome mich schon länger belasteten, wurde die Krankheit erst später erkannt. Ich musste damals zu einem wichtigen Meeting nach Deutschland reisen, bei dem mein neuer Chef ebenfalls anwesend war, und ich wurde kurzfristig gebeten, eine Präsentation zu halten. Ich wollte unbedingt gut abschneiden, war entsprechend nervös – und schon Tage vor der Reise traten die typischen Beschwerden auf. Drei Tage lang litt ich unter starken Symptomen, und auf dem Rückflug ging es mir so schlecht, dass ich noch in derselben Nacht in die Notaufnahme kam. Zwei Wochen später erhielt ich die Diagnose. Mein Arzt verschrieb mir Kortison und Steroide. Damals sah ich die Zusammenhänge noch nicht – aber rückblickend ist es offensichtlich: Stressige Arbeitssituationen haben meine Beschwerden immer verschlimmert. Doch die Medikamente halfen nicht wirklich, also begann ich, mich intensiv mit alternativen Behandlungsmöglichkeiten zu beschäftigen. Der Wendepunkt kam schließlich Anfang 2021, als eine umfangreichere Untersuchung ergab, dass sich mein Zustand verschlechtert hatte und die bisherige Behandlung nicht mehr wirkte. Man riet mir zu einer deutlich stärkeren, sogenannten biologischen, immunsuppressiven Therapie, die das Immunsystem gezielt schwächt. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich bereits mit meiner Familie in Basel – mit zwei kleinen Kindern und ohne Unterstützung. Die Infusion, die ich alle vier Wochen hätte bekommen sollen, hätte mir meine letzte Energie geraubt. Ich hatte Angst davor, was auf mich und meine Familie zukommen würde, wenn mein Zustand weiter eskaliert. Da fasste ich den Entschluss: Das will ich nicht. Ich bat meinen Arzt um etwas Zeit, weil ich etwas anderes ausprobieren wollte. Ich hatte mich bereits viel mit antientzündlicher Ernährung und Entgiftungskuren beschäftigt, und mit Zustimmung meines Arztes begann ich damit. Ich suchte mir Expert:innen, die mir halfen, meine Ernährung grundlegend umzustelle.
Welche Ernährung hast du verfolgt, und wie hat sie sich auf deine Krankheit ausgewirkt?
Ich begann mit einer dreimonatigen, entzündungshemmenden FODMAP-Diät. Dabei meidet man Lebensmittel, die bestimmte schwer verdauliche Zuckerarten enthalten, die Beschwerden auslösen können. Ich verzichtete sofort auf Milchprodukte, Zucker und Alkohol und machte zusätzlich eine Detox-Kur. Zu diesem Zeitpunkt besuchte ich bereits eine Coaching-Ausbildung und begann, mich intensiv mit mir selbst auseinanderzusetzen. Ich erkannte, dass ich auch auf dieser Ebene einiges aufzuarbeiten hatte. Ich lernte effektive Stressbewältigungstechniken und integrierte Meditation in meinen Alltag. Die Kombination aus Ernährung, Meditation, Selbstreflexion und Bewegung brachte mir schließlich mein körperlich-seelisches Gleichgewicht zurück. Ich baute mich Schritt für Schritt wieder auf. Epigenetik wurde zu meiner Hoffnung – die Art, wie ich lebe, denke, fühle – und mit der Zeit heilte mein Körper, ganz ohne Medikamente oder Therapie. Doch was vielleicht noch bedeutender war: Auch innerlich veränderte ich mich vollständig. Als ich zur Kontrolluntersuchung ging, war mein Arzt völlig erstaunt: Meine Laborwerte waren perfekt. Seitdem sind vier Jahre vergangen, ich brauche keine Steroide mehr, und laut Untersuchungen ist mein Darm vollständig gesund. Mein Fall zeigt, dass trotz genetischer Veranlagung und familiärer Vorbelastung die Epigenetik – also wie wir leben und denken – viel bedeutender ist. Sie hat einen enormen Einfluss darauf, ob eine Krankheit aktiviert wird oder nicht. Deshalb ist Prävention so wichtig. Man sollte nicht erst handeln, wenn es schon zu spät ist – sondern jetzt, heute, aktiv etwas für sich tun. Ärzt:innen und Fachleute können unterstützen, aber wir tragen selbst auch Verantwortung – und in uns steckt mehr Kraft, als wir denken.
Diese innere Veränderung, diese neue Sichtweise auf das Leben und die Umstellung deines Lebensstils führten dazu, dass du gemeinsam mit deiner ebenfalls in der Schweiz lebenden Coach-Freundin die Holinstinct-Wellbeing-Methode entwickelt hast. Worum geht es dabei genau und wem kann sie helfen?
Die Holinstinct-Unternehmensprogramme basieren einerseits auf persönlichen Erfahrungen, andererseits auf fundierter fachlicher Erkenntnis. Meine Geschäftspartnerin und Freundin Mária, zertifizierte Resilienz-Coachin, hat als Projektmanagerin selbst einen Burnout erlebt, der sie zwang, ihre Arbeit für ein halbes Jahr zu unterbrechen. Auch für sie war die Lebensstilveränderung der entscheidende Wendepunkt in Richtung Heilung. Diese individuellen Erkenntnisse führten uns zu der Überzeugung, dass mentale und körperliche Gesundheit untrennbar miteinander verbunden sind – und dass ein solcher integrativer Ansatz in der Unternehmenswelt bisher fehlte. Unsere Marktanalyse zeigte deutlich: Zwar gibt es zahlreiche Stressbewältigungs- oder Resilienzprogramme, aber die meisten fokussieren sich auf einen kleinen Ausschnitt und betrachten den Menschen nicht ganzheitlich. Holinstinct stellt genau diese ganzheitliche Sichtweise ins Zentrum – mit einem Fokus auf vier zentrale Dimensionen: Ernährung, Bewegung, Persönlichkeitsentwicklung und mentale Gesundheit. Unser Programm bietet Werkzeuge für Führungskräfte, vielbeschäftigte Fachpersonen und alle, die nachhaltige Veränderung anstreben, um ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden – nicht durch äußere Lösungen, sondern durch persönliche Weiterentwicklung von innen nach außen. Wissenschaftlich ist längst belegt: Körper und Geist stehen in enger Wechselwirkung. Chronischer Stress und negative Denkmuster belasten nicht nur psychisch, sondern wirken sich direkt auf die körperliche Gesundheit aus. Eine bewusste Veränderung des Lebensstils – inklusive ausgewogener Ernährung, regelmäßiger Bewegung, Meditation, Achtsamkeit und innerer Arbeit – unterstützt nicht nur die Regeneration, sondern kann das gesamte Lebensgefühl und die Beziehung zu sich selbst tiefgreifend verändern. Deshalb haben wir das 21-tägige Online-Programm von Holinstinct entwickelt, das gezielt Burnout vorbeugt und täglich konkrete Schritte und praktische Impulse bietet – von Meditationen, Ernährungstipps über Selbstreflexion und Stressbewältigung bis hin zu Bewegungseinheiten.
Das ist sehr hilfreich – viele scheitern genau daran, dass ihnen der Weg zum Ziel zu weit erscheint und sie nicht wissen, wie sie anfangen sollen.
Ganz genau. Das ist der Schlüssel: neue Gewohnheiten entwickeln und in den Alltag integrieren. Die 21 Tage sind entscheidend – so lange dauert es, bis das Gehirn beginnt, neue Muster zu etablieren. Gelingt das, ist die Wahrscheinlichkeit für nachhaltige Veränderung deutlich höher. Unser Programm verändert nicht nur das Essverhalten, sondern auch die Art zu denken. Wir zeigen, wie man negative Gedankenmuster erkennt und verändert, wie man mit Stress umgeht und welche Techniken man im Alltag anwenden kann. Wir bieten das Programm auch Unternehmen an und haben dafür spezielle Pakete entwickelt. Für Führungskräfte, HR-Abteilungen und globale Organisationen gibt es zudem eine sechsteilige Webinar-Reihe mit verschiedenen Themenschwerpunkten zur Burnout-Prävention. Unser Ziel ist, den Teilnehmenden sofort umsetzbare, praktische Methoden an die Hand zu geben.
Habe ich recht, dass Unternehmen heute zunehmend auf solche Programme setzen, um Mitarbeitende zu unterstützen und zu motivieren?
Absolut – und das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Firmen erkennen inzwischen, dass sie einen Wettbewerbsnachteil haben, wenn sie sich nicht um das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden kümmern. Eine der größten Herausforderungen im HR-Bereich ist es, gute Mitarbeitende zu halten, während sich alles rasant verändert. Das erzeugt Unsicherheit und Ängste – und macht Prävention noch wichtiger. Wir bekommen oft die Rückmeldung, dass genau das fehlt: Unterstützung nicht erst, wenn es zu spät ist – sondern vorher.
Prävention ist also der Schlüssel. Und dazu gehört auch, Führungskräfte zu schulen, damit sie die Zeichen frühzeitig erkennen.
Ja, genau. Denn oft geht es um Empathie und offene Kommunikation – also eine Unternehmenskultur, in der man sagen darf: „Das ist mir gerade zu viel. Nach 18 Uhr kann ich keine Aufgaben mehr übernehmen, weil ich müde bin oder Zeit mit meinem Kind verbringen möchte.“
Die WHO sagt, dass 60 % unserer Gesundheit und Lebensqualität von unserem Lebensstil abhängen. Warum haben wir das vergessen und bewegen uns heute in die entgegengesetzte Richtung?
Der Drang, sich zu beweisen, der Zwang, Erwartungen zu erfüllen, ist enorm – gerade in der Konzernwelt, aus der ich komme. Erfolg wird immer noch daran gemessen, wie schnell jemand aufsteigt, nicht daran, wie gut er oder sie Arbeit und Privatleben in Einklang bringt. Alle versuchen mitzuhalten – das Umfeld suggeriert, dass man dieses Tempo aushalten muss. Und wir merken nicht, wenn es zu viel wird. Dabei sendet uns unser Körper, unser Nervensystem, laufend Signale – aber wir hören nicht hin. Deshalb muss das Bewusstsein dafür von oben kommen. Wenn ich sehe, dass meine Führungskraft auf ihre Work-Life-Balance achtet, dann traue ich mich das auch. Das kann der Schlüssel sein – denn langfristig kann nur derjenige gut arbeiten und Leistung bringen, der körperlich, mental und emotional gesund ist. Ein weiteres Problem ist, dass viele Menschen eher nach außen als nach innen schauen – auf das, was andere erwarten, statt auf das, was sie selbst wirklich wollen. Wir verlernen es, innezuhalten, nach innen zu hören, zu reflektieren. Wir haben vergessen, wie wichtig Selbstfürsorge ist. Ich nenne es: Wir trennen uns von uns selbst ab. Wir unterdrücken unsere Instinkte, unsere Gefühle. Und so geht das zehn, zwanzig, dreißig Jahre lang. Bis wir plötzlich merken: Wir leben gar nicht im Einklang mit unseren Werten und sind emotional völlig von uns selbst entkoppelt – während unser Körper unaufhörlich Signale sendet.
Was empfiehlst du jemandem, der sich wieder mit sich selbst verbinden, sich besser fühlen und seine wahren Bedürfnisse erkennen möchte?
Das Einfachste – und gleichzeitig Schwierigste – ist: innehalten. Wenn wir uns jeden Tag nur fünf Minuten ganz bewusst mit uns selbst beschäftigen, tun wir schon sehr viel für uns. Selbstreflexion ist der erste Schritt zur Selbstfürsorge. Wenn es uns nicht gut geht, müssen wir wissen, was uns hilft. Ich zum Beispiel stehe jeden Tag sehr früh auf, um morgens 1,5 bis 2 Stunden nur für mich zu haben. Aber es braucht gar nicht so viel – 15 Minuten täglich reichen völlig. Wichtig ist die Regelmäßigkeit. Machen wir es zur Gewohnheit, uns jeden Tag kurz mit unseren Gedanken, Gefühlen und unserem körperlichen Zustand auseinanderzusetzen. Was ich auch sehr empfehlen kann, ist die 4×4-Atemtechnik, die man jederzeit und überall anwenden kann: vier Zählzeiten einatmen, vier halten, vier ausatmen, vier Zählzeiten Pause. Sie wirkt hervorragend in Stresssituationen – und niemand merkt, dass man sie anwendet. Und noch ein kleiner, aber wichtiger Tipp: Wenn wir müde sind, lieber ein großes Glas Wasser trinken, statt zum Kaffee zu greifen. Denn oft braucht der Körper nicht Koffein, sondern Flüssigkeit.
Interview: Jean Orsolya
Der Originalartikel ist auf Ungarisch unter www.longevitymagazin.hu erschienen.
28. Mai 2025